Internetzugang im Gefängnis

Foto: Lena Sophie Zeller

„Kein Internetzugang bedeutet für mich Zwangsisolation.“* Außerhalb der Gefängnismauern ist das Internet nicht mehr aus dem Leben wegzudenken. Für die Resozialisierung wichtige Dinge finden heutzutage fast ausschließlich in Verbindung mit dem Internet statt: Wohnungssuche, Jobsuche, Freizeitgestaltung, Hilfeangebote, Bildung und Weiterbildung…

Es stellt sich die Frage, wie Resozialisierung ohne Zugang zum Internet funktionieren soll – und ob die Justiz ihrem gesetzlichen Auftrag folgeleistet, der das Leben in Haft dem Leben in Freiheit angleichen soll?

Wir haben Herrn Richter Dr. Lorenz Bode dazu drei Fragen gestellt:

Gehört der Internetzugang zu den Grundrechten, die auch für Gefangene Gültigkeit haben?

Gefangene sind über Artikel 1 Absatz 3 Grundgesetz, der alle staatliche Gewalt, also auch die Justizvollzugsbehörden, an die Garantien der Grundrechte bindet, weiterhin Grundrechtsträger. Dass ihnen ein Internetzugang zur Verfügung steht, ist richtig und wichtig. Denn dabei geht es um nichts weniger als einen zeitgemäßen Kontakt zur Außenwelt – sowohl in kommunikativer als auch informativer Hinsicht. Mehrere Grundrechte können hierfür geltend gemacht werden: Neben dem allgemeinen Resozialisierungsgebot, das aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz folgt, ist vor allem die Informationsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz zu nennen. Aber auch der aus Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz abgeleitete Schutz von Ehe und Familie spielt – insbesondere während der Corona-Pandemie – eine entscheidende Rolle.

Gibt es seit Corona einen Digitalisierungsschub im Vollzug?

Ja, aber: Der zu beobachtende Digitalisierungsschub ist pandemiebedingt, also gewissermaßen erzwungen. Um die Corona-Kontaktbeschränkungen zu kompensieren, haben die Haftanstalten vermehrt Internetvideotelefonie und E-Mail-Kontakt zugelassen. Diese Entwicklungen stimmen einerseits hoffnungsvoll, insbesondere hinsichtlich der bisherigen Praxiserfahrungen (Stichwort: größtes Pilotprojekt aller Zeiten); auch über größere Sicherheitslücken ist nicht berichtet worden. Andererseits bleibt abzuwarten, ob den Gefangenen diese digitalen Freiheiten bei einer Entspannung der pandemischen Lage erhalten bleiben oder ob die Landesjustizverwaltungen wieder einen restriktiveren Kurs einschlagen. Die Zeit scheint jedenfalls günstig, um für einen Ausbau des Internetzugangs für Gefangene zu werben.

Welche gesetzlichen Regelungen haben in der jüngsten Vergangenheit Einfluss auf den Internetzugang von Inhaftierten?

Der Strafvollzug ist seit 2006 Ländersache. Mittlerweile existieren 16 eigene Landesstrafvollzugsgesetze, die – abgesehen von denen in Bayern und Baden-Württemberg – auch Vorschriften zur Internetnutzung enthalten (kryptisch formuliert als „andere Formen der Telekommunikation“ beziehungsweise „andere Telekommunikationsmittel“). Gegenüber dem bundeseinheitlichen Strafvollzugsgesetz von 1976 ist das ein Fortschritt. Problematisch ist indes, dass diese Internetregelungen bestenfalls ein zweistufiges Zulassungsverfahren vorsehen, wonach erst die Justizverwaltung und dann die Haftanstalt ihre Zustimmung erteilen muss. Einfachgesetzlich betrachtet haben Gefangene daher nach wie vor keinen direkten Anspruch auf Zugang zum Internet.

Für echten Fortschritt sorgt dagegen die Rechtsprechung. Sowohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof haben zuletzt betont, dass abstrakte Sicherheitsgefahren als Begründung nicht mehr ausreichen, um den Internetzugang im Gefängnis zu versagen. Es kommt vielmehr auf eine Einzelfallbetrachtung an, bei der die Rechtsposition von Inhaftierten, wie sie in puncto Internetzugang auch aus den Grund- und Menschenrechten folgt, angemessen zu berücksichtigen ist.

* Gefangener, JVA Göttingen, 2022